Musikalische Wellness mit Jan Pieterszoon Sweelinck

Konzert 1

Freitag, 11. Juni 2021 16:30

Johannes Keller Cembalo

Programm

Jan Pieterszoon Sweelinck Toccata in g
Jan Pieterszoon Sweelinck Toccata in a
Jan Pieterszoon Sweelinck Mein junges Leben hat ein End (Variationen)
Jan Pieterszoon Sweelinck Vlichtig Nymphae (Variationen)
Jan Pieterszoon Sweelinck Fantasie in F, Ut re mi fa sol la

Konzerte am gleichen Tag um 16.30 / 17.30 / 18.30 / 19.30

Sweelincks Cembalo
Die Wiederentdeckung eines verlorenen Klangs

Im Jahr 1604 kaufte Jan Pieterszoon Sweelinck bei der Cembalo- und Virginalmanufaktur Ruckers in Antwerpen ein »dobbel staert stuk«, ein Doppelcembalo mit zwei Manualen. Als Flaggschiff-Modell der Ruckers-Produktepalette bot es dem professionellen Spieler die meisten Features und war wohl das beliebteste Modell. Ab den 1650er-Jahren transformierte sich der Cembalobau massgeblich und Prioritäten verlagerten sich, die »dobbel staert stuks« wurden nicht mehr hergestellt, bestehende Instrumente wurden rigoros umgebaut. In der heutigen Cembalolandschaft ist der damals weltweit verbreitete und von den grössten Komponisten und Spielern des frühen 17. Jahrhunderts genutzten Typs des »Doppelcembalos« praktisch inexistent.

Dieses Konzertprogramm verbindet Meisterwerke von Sweelinck, dem wohl prominentesten Kunden der Ruckers, mit den einzigartigen klanglichen Möglichkeiten des Doppelcembalos. Das Instrument wurde im Jahr 2016 von Matthias Griewisch nach dem im Originalzustand erhaltenen Instrument in der Russell Collection in Edinburgh für Johannes Keller gebaut.

Das Instrument verfügt über die vier Register 12’, 8’, 6’ und 4’, sowie über einen geteilten Lautenzug. 12’ und 6’, sowie 8’ und 4’ sind koppelbar.

Sweelinck hat selbst keine Tastenmusik veröffentlicht, aber möglicherweise einen Druck mit Kompositionen für Orgel und Cembalo geplant, als Fortsetzung seiner umfangreichen Serie von Drucken mit polyphoner Musik. Alle Werke für Tasteninstrumente sind durch Abschriften aus zweiter und dritter Hand überliefert, weisen aber trotzdem ausnahmslos höchste kompositorische Qualitäten auf. Sweelincks Tastenwerk lässt sich in folgende vier Gattungen einteilen: Toccata (freie Formen, oft nicht streng polyphon), Fantasie (stets streng vierstimmig), Liedvariation und Choralvariation. Üblicherweise werden die Liedvariationen und Toccaten dem Cembalo zugeschrieben und die Fantasien und Choralvariationen der Orgel.
Das hier verwendete Doppelcembalo stellt diese Zuordnung jedoch in Frage, da die Gravität und Fülle des unteren Manuals den gestalterischen Qualitäten einer Orgel viel näher kommt als ein konventionelles Cembalo, während das obere Manual ein einmanualiges Cembalo oder Virginal ideal abbilden kann.
Der zentrale Gehalt Sweelincks Musik ist die Polyphonie, die er auf einem schwindelerregenden Niveau beherrscht und mit einer einzigartigen Eleganz lenkt. Ohne ein Instrument, das als höchste Priorität die kontrapunktische Transparenz und Durchhörbarkeit hat, droht die Musik in eine streckenweise banale Harmonik und geschwätziges Laufwerk zu zerfallen. Dieses Doppelcembalo hat jedoch genau die Qualitäten, die für eine adäquate Darstellung der kompositorischen Strukturen benötigt wird. Das Resultat ist ein berauschender Blick auf die zeitlos faszinierende Beschaffenheit dieser Musik, wie er auf kaum einem anderen Instrument denkbar ist.

 

Johannes Keller ist in der Ostschweiz aufgewachsen und lebt heute in Basel.

Ausbildung. Studium an der Schola Cantorum Basiliensis, nach Privatunterricht bei Andreas Schweizer und Naoki Kitaya. Diplom für Alte Musik mit Hauptfach Cembalo bei Jörg-Andreas Bötticher (2008) und Master of Arts für Generalbass und Ensembleleitung bei Jesper Christensen und Andrea Marcon (2010). Diverse Auszeichnungen an Jugendmusikwettbewerben. Förderpreis des Lions Club Basel (2009), Förderpreis des Kantons Thurgau (2010). Aufnahme in die »Akademie Musiktheater heute« der deutsche Bank Stiftung (2010).

Künstlerische Tätigkeit. Mitgründer des Basso-Continuo-Ensembles »Il Profondo« und des Duos »L'Istante« (mit der Violinistin Anaïs Chen). Regelmässige Zusammenarbeit mit Andrea Marcon, u.a. als Assistent für Opernproduktionen am Theater Basel, der Oper Frankfurt, der Dutch National Opera, dem Bolshoi Theater in Moskau und dem Festival d'Aix-en-Provence. Weitere Zusammenarbeit als Assistent für Barockoper mit Christian Curnyn (Oper Frankfurt und Staatstheater Stuttgart) und Michael Form (Theater Heidelberg und Oper Frankfurt). Beteiligung bei CD-Produktionen für »Deutsche Grammophon«, »resonando«, »Archiv«, »Cantus« und »France 2«. Regelmässige Mitwirkung u.a. bei »La Cetra« (Barockorchester Basel), »Venice Baroque Orchestra« und »Les Siècles«. Gast-Engagements u.a. bei Freiburger Barockorchester, Berliner Philharmoniker, Dänisches Radiosinfonieorchester, HR-Sinofnierorchester. 

Mitglied der Musiktheatercompagnie »La Cage« (Berlin / Paris).

Seit 2014 Vorstandsmitglied im »Forum andere Musik Thurgau«.

Forschung. Schwerpunkt chromatisch-enharmonische (mehr als 12 Noten pro Oktave) Instrumente und Musik aus dem 16. und 17. Jahrhundert. In diesem Zusammenhang auch Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Komponisten wie Caspar Johannes Walter, Vito Žuraj und José Sanchez-Verdù, und Gast-Engagements bei Formationen wie dem »ensemble modern«.

2015-2017 Leiter des Forschungsprojekts »Studio31« an der Hochschule für Musik Basel und der Schola Cantorum Basiliensis, über die Rekonstruktion einer Orgel und eines Cembalos mit 36 bzw. 31 Tasten pro Oktave.

Ab Anfang 2020 Mitglied des an der Schola Cantorum Basiliensis angesiedelten SnF-Forschungsprojekts »Vicentino21« unter Leitung von Martin Kirnbauer.

Lehrtätigkeit. Seit 2013 Dozent für Intonation und Stimmungen an der Schola Cantorum Basiliensis, seit 2013 Gastdozent an der Universidad Central in Bogotá für Basso Continuo, Aufführungspraxis und Kammermusik.

http://www.kellerjohannes.com

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